Wellenkunde Titelbild

Wellen: Wie sie entstehen, reisen und brechen

Papillon steht auf den Klippen der Teufelsinsel und zählt Wellen

Die Île du Diable gehört zu einer Gruppe von drei kleinen Inseln vor der Küste Französisch-Guayanas, die als Gefängnis dienen und als ausbruchsicher gelten. Nach einigen Wochen der Beobachtungen kommt er zu dem Schluss, dass Wellen immer in Gruppen auftreten, meist von sieben, und die mittleren Wellen dieser Gruppen die Größten und Kraftvollsten sind.

Papillon beschließt also, während eines besonders großen Swells mit einem selbstgebauten Floß aus aneinander gebundenen Säcken voller Kokosnüsse zu springen.

Er zählt die Wellen, wählt die vierte, springt in das tosende Weißwasser und lässt sich hinaus aufs Meer ziehen. Für Papillon geht das Abenteuer gut aus, die Geschichte seiner ewigen Flucht ist als Buch und Film ein Erfolg. Sein Freund Dega aber bleibt zurück, ihm war der Fluchtplan zu riskant.

Gut möglich, dass auch der verwegene Papillon den Plan verworfen hätte, wenn er sich etwas detaillierter mit dem Wissen um Wellen hätte beschäftigen können.

Denn Wellensets bestehen keineswegs immer aus 7 Wellen. Und aus einem Set die Größe des nächsten abzuleiten bleibt eine vage Prognose. Die Entstehung, ihre Reise und das Brechungsverhalten von Wellen sind hochkomplex und auch noch nicht vollständig verstanden.

Your surfing can get better on every turn, on every wave you catch. Learn to read the ocean better. A big part of my success has been wave knowledge.

Kelly Slater

Das Ende der Reise versteht jede Surferin: Die Wellen kommen in deutlichen Linien mit einigem Abstand, biegen sich um den Point und brechen mit Präzision und Verlässlichkeit – Oder eben nicht. Dieses Urteil, in wenigen Minuten gefällt, lässt einen schnell die Komplexität der Vorhersage vor einem Tag oder auch die Frage: warum brechen sie heute so geil? vergessen. Höchstens bleibt eine Irritation zurück, schließlich hatte die App doch 5 Sterne vergeben, die Wellen waren aber durcheinander und unsurfbar.

Wellen: Eine besonders schöne Wellengruppe trifft auf ein irisches Riff
Die Ankunft an einem Spot ist trotz detailierter Live Forecasts immer eine Überraschung: Hier eine ziemlich schöne.

Der wichtigste Faktor um die Qualität der Wellen vorhersagen zu können ist das Wissen um die lokalen Besonderheiten eines Breaks: Wie ist er ausgerichtet? Wie ist der Untergrund? Gibt es vorgelagerte Flachwasserzonen oder aber einen Tiefseegraben? Wie sind die lokalen Winde?

Der zweitwichtigste Faktor ist, die Daten, die einem die Vorhersage Tools liefern, lesen, verstehen und interpretieren zu können. Und obwohl man in zwei Minuten lernen kann einen Forecast zu lesen, ist es eine ganz andere Nummer, ihn auch zu verstehen.

Der richtige Aha-Effekt kommt erst, wenn man das Gesamtbild betrachtet: Die Reise eines Energiepakets von der Sonne bis an unseren Surfspot. Und darum geht es in diesem Artikel. Die Kernfragen sind dabei die Folgenden:

  • Wie entstehen Wellen?
  • Wie reisen Wellen?
  • Wie brechen Wellen?

Alle Erklärungen beziehen sich auf Wellen in Europa, und obwohl die Prinzipien überall anwendbar wären, sind einige Details und Beispiele für die Spots in Nordspanien oder die Costa de la Luz relevant, während sie für Peru völlig überflüssig sind.

Wellenentstehung

Die Entstehung von Tiefdruckgebieten

Am Anfang eines Energiepaketes, das wir Wellenset nennen werden, steht die Sonne. Die Sonne erwärmt die Erde und macht durch ihre Energie erst Leben möglich und dann auch noch sinnvoll: Durch die Bildung von surfbaren Wellen.

Die Sonne erwärmt die Erde aber nicht überall gleich: Der Äquator ist ihr näher als die Pole und wird daher stärker erwärmt. Außerdem dreht sich die Erde, was die alles beeinflussende Corioliskraft ins Spiel bringt. Und weil sich die Erde schließlich auch noch leicht geneigt um die Sonne dreht, gibt es jahreszeitliche Schwankungen bei der Erwärmung. Diese gelten allerdings nicht für die äquatorialen Regionen, die immer ähnliche Temperaturen haben. Dafür ist dann die Temperaturdifferenz zwischen diesen Regionen und den Polen im Winter besonders groß.

Die Erdoberfläche ist außerdem zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt. Der größere Teil der Landmasse befindet sich in der nördlichen Hemisphäre. Und weil Wasser Wärme deutlich besser speichert als Land folgt daraus eine weitere Verstärkung des Temperaturgefälles im Winter. Was passiert also im Herbst in der nördlichen Hemisphäre in Bezug auf die Wellen?

Die Sonne heizt die Atmosphäre auf: Über dem Äquator mehr und über dem Nordpol weniger. Die erwärmte Luft hat eine geringere Dichte und steigt auf. Kalte Luft versucht nachzudrängen. Wegen der Corioliskraft wird sie auf ihrem Weg nach rechts abgedrängt – was zum Aufbruch des Systems in drei kleinere Kreisläufe führt, die zwischen dem Äquator und dem 30° nördlicher Breite, 30° und 60° sowie 60° und 90° verlaufen.

Weil sich in der nördlichen Hemisphäre viel Landmasse befindet (siehe oben), ist das Temperaturgefälle zwischen den nördlichen Breiten und dem Äquator im Herbst und Winter besonders hoch. Die Luft zirkuliert schneller und in der Folge entstehen größere Tiefdruckgebiete: An der Polarfront, einem Band an dem sich kalte und warme Luftmassen treffen, schiebt sich die warme Luft über die kalte. Dabei kommt es mitunter zu Störungen, meist verursacht durch die Corioliskraft.

Schiebt sich die warme Luft nämlich an einer spezifischen Stelle schneller nach oben, dann fängt das System an, sich an dieser Stelle zu drehen. Nachfolgende kalte Luft, die den tiefen Druck ausgleichen möchte, wird abgelenkt und zirkuliert gegen den Uhrzeigersinn um das Tiefdruckgebiet. Gleichzeitig wandert das Tiefdruckgebiet, oft von der amerikanischen Ostküste mit dem Jetstream in Richtung Nordosten. Je tiefer der atmosphärische Druck im Zentrum eines Sturms sinkt und je größer das Druckgefälle ist, desto schneller werden die Winde. Gut erkennt man das an den dicht gepackten Isobaren, die jeweils einen Druckwert in mb oder hPa abbilden.

Wellen: Ein außergewöhnliches Tief kreist vor Island.
Während das Tief vor Afrika ausladend und behäbig ist, liegen die Isobaren vor Island dicht gepackt. Wellengruppen, die in diesem Tief entstanden sind werden in den kommenden Tagen erst Irland, dann Frankreich, Spanien, Portugal und schließlich die Kanaren und Marokko erreichen. Die lange Reise überleben überwiegend die Wellengruppen mit großer Periode (kleiner Frequenz). Während in Irland also die Wellengruppen kurz nacheinander und relativ durchmischt ankommen, sind sie auf den Kanaren klar sortiert und die Surfer haben alle Vor-und Nachteile langer Setwellen. // Screenshot von Magicseaweed.com

Und desto größer ist der Swell, der sich zu uns auf den Weg macht. Tiefdruckgebiete erreichen dabei oft die Größe von mehreren hundert Kilometern. Die Windrichtung ist dabei entlang der Isobaren gegen den Uhrzeigersinn und leicht zum Tief inkliniert. Entstehende Wellen wachsen mit dem Wind und reisen in der Windrichtung radial weiter.

  • Die Sonne heizt die Atmosphäre unterschiedlich stark auf
  • Der Luftstrom und die Meeresströmungen versuchen diese Ungleichheit auszugleichen
  • Dadurch entstehen Tiefdruckgebiete
  • Je stärker der Wind und 
  • je größer das Tief, desto größer die Wellen

Die Entstehung von Wellen

Während wir mittlerweile mit Hilfe von Computern das wahrscheinliche Auftreten von Tiefdruckgebieten und ihr Verhalten sehr gut vorhersagen können, ist immer noch nicht ganz klar, wie diese sich für die Entstehung von Wellen verantwortlich zeigen. Klar scheint zu sein, dass zwei Prozesse beteiligt sind: Zunächst verursacht der Wind kleine Irritationen in der Meeresoberfläche, weil er nicht ganz horizontal bläst. Diese Irritationen werden Kapillarwellen genannt, ihr Wachstum ist linear zu der Zeit.

Wenn das Meer so aufgeraut ist, kommt ein zweiter Prozess ins Spiel. An den Kapillarwellen haften größere Verwirbelungen an, die turbulent eddies. Sie vergrößern die Wellen, die nun Gravity Waves heißen, exponentiell. Das Bedeutet, dass die Wellen in der zweiten Stunde des Sturms schneller wachsen als in der ersten. Allerdings können auch Gravity Waves nicht endlos wachsen. Sie sind durch die Schwerkraft limitiert. Während der Wind über die Wellen bläst, wachsen sie, bis ihre Maximalgröße für diese Windstärke erreicht ist. Das nennt man eine vollständig entwickelte See. Wenn die Wellen den Sturm und damit ihre Heimat hinter sich lassen, werden sie als reisender Swell bezeichnet.

  • Wellen entstehen, wenn Wind Energie in das Wasser einträgt
  • Surfbare Wellen entstehen, wenn ein Tief sich beständig über Wasser hält
  • erst entstehen Kapillarwellen, dann Schwerkraft-Wellen
  • Je größer die Distanz, über die der Wind bläst und die Windstärke, desto größer werden die Wellen
  • Nach der Entstehung breiten sich die Wellen aus und sind nun als “reisender Swell” unterwegs

Die Reise der Wellen

Während im Zentrum des Sturmtiefs, wo die Wellen gebildet werden, alle möglichen Wellen kreuz und quer laufen, wird die Reise der Wellen übersichtlicher, sobald sie ihren Ursprung verlassen haben. Auf ihrer Reise, die mehrere tausend Kilometer lang sein kann, sortieren sich die Wellen zu Gruppen. Die längeren Wellen (also die mit der größeren Periode) sind schneller und treffen als erste am Spot an. Und die Wellen werden kleiner, je weiter sie reisen. Dennoch geht überraschend wenig Energie unterwegs verloren und was die Wellen an Größe einbüßen, machen sie oftmals durch ihre Energie und die besondere Brechung langperiodischer Wellen wett.

  • Die Wellenpakete sortieren sich unterwegs: Schnelle Wellen treffen zuerst ein
  • Die Wellenpakete werden auch breiter und gleichzeitig nimmt die Wellengröße ab
  • Tendenziell nimmt die Anzahl der Wellen pro Set mit der zurückgelegten Entfernung zu
Wellen: Die radiale Dispersion
Die radiale Dispersion (Sortierung der Wellen) einer Wellengruppe. Zunächst sind Wellen verschiedener Größen und Perioden durcheinander, doch über Zeit überholen die langen (schnellen) Wellen die anderen. / Quelle: wikicommens

Wenn Wellen reisen, reist eigentlich nichts weiter als eine Information: Dass nämlich die Wasserteilchen eine runde auf-und-ab Bewegung zu machen haben und diese weitergeben. So, wie wenn man einen Teppich in einer fließenden Bewegung anhebt und dann nach unten zieht: Eine Welle wandert vom einen Ende des Teppichs zum Anderen, ohne dass Teppichteile selbst wandern würden. Ein schwimmendes Objekt, ein Schiff oder Baumstamm etwa würde dabei von der Welle angehoben werden, leicht nach hinten versetzt, abgesenkt und wieder nach vorne geholt. Diese orbitale Bewegung der Welle ist im offenen Ozean irrelevant, aber entscheidend, wenn die Wellen auf flaches Wasser treffen.

Wellen: Wie sich ein diskretes Wasserteilchen verhält, wenn es von einer Welle angehoben wird.
Ein Wasserteilchen wird von einer durchreisenden Welle orbital bewegt. In flacherem Wasser wird die Bewegung zu einer ovalen, bis schließlich der Wellenkamm das Tal überholt und die Welle bricht. / Quelle: wikicommons

Einzelne Wellen kommen nicht besonders weit. Wellen reisen daher in Gruppen. Dabei ist jede einzelne Welle mit der doppelten Geschwindigkeit wie die Gruppe unterwegs. Die Wellen entstehen hinter der Gruppe, durchlaufen sie und verschwinden wieder, wenn sie vorne angekommen sind. Im Zentrum eines Sturms gibt es viele solcher Wellenpakete.

Wellen: Langperiodische Wellen in flachem Wasser.
Reisender Swell triff in flaches Wasser. Die langen, klaren Linien deuten auf eine lange Wellenperiode hin.

Weil die Wellenlängen und damit die Geschwindigkeit von Wellen unterschiedlich sind, überholen sie sich manchmal. Fallen dabei zwei Wellentäler oder Berge ineinander, so addieren sich die beiden Wellen: Man spricht von einer konstruktiven Interferenz. Natürlich gibt es auch das Gegenteil, die destruktive Interferenz. Dabei subtrahieren sich die Wellen, weil Wellenberg auf Wellental trifft. In der Praxis ist diese Gruppierung von Wellen chaotisch, komplex und kaum nachzuvollziehen, weil oft mehr als nur zwei Wellenzüge beteiligt sind.

Das Resultat ist, dass die Wellen sich in Gruppen von jetzt größeren Wellen sortieren. Und es sein kann, dass einzelne Sets am Strand um die Hälfte größer sind als andere. Man spricht dann von Freaksets. Zu der Erscheinung von Sets kommt wieder der Effekt von Wind. Bläst er den Wellen entgegen, kann er die kleinen und langsamen Wellen auspusten. Durch ihre geringere Länge stehen sie steiler aus dem Wasser und bieten mehr Angriffsfläche. Auch ein lokaler Offshore-Wind hat eine solche sortierende Funktion. Das ist besonders wichtig, wenn man nahe des Sturmzentrums surft.

  • Wellen sortieren sich zu Gruppen
  • Wellen mit einer Periode von 15s kommen pro Tag etwa 750km weit
  • Wellen von geringer Länge/hoher Frequenz reisen nicht sehr weit
  • Wellen mit großer Periode können tausende Kilometer reisen

Wie Wellen brechen

Refraction

Wenn die Wellen flaches Wasser erreichen, verändern sie ihre Geschwindigkeit. Dabei werden die mittlerweile sehr breiten Wellen dort langsamer, wo sie auf ein Hindernis treffen und laufen ansonsten mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Das ist der Grund, warum sich die Wellen zum Beispiel um einen Pointbreak wickeln. Auf englisch heißt das Phänomen Refraction.

Man unterscheidet zwei Hauptarten von Refraction: Die Fokussierung und die Defokussierung. Bei der Fokussierung ist die flachere Stelle, die die Welle abbremsen lässt, exponiert und vorgelagert. Auf beiden Seiten des Riffs ist das Wasser tiefer und die Welle schneller. Sie biegt sich daher von beiden Seiten zum Riff und ein großer Teil der Power wird auf diesen Peak fokussiert. Das ist es, was einen Swellmagnet ausmacht.

Der umgekehrte Fall ist, dass die Welle an ihrer Flanke abgebremst wird und sich convex um den Point biegt. Hier wird die Energie nicht plötzlich über einem punktuellen Riff rausgejagt, sondern läuft gleichmäßig entlang des Points. Durch diesen Prozess sind die Wellen weniger powervoll und groß wie beim Fokussieren. Dafür brechen sie mitunter über hunderte Meter mit konstanter Kraft.

Wellen: Convexe Refraction einer Welle an einem Pointbreak.
Hier trifft die Welle fast senkrecht auf die Steine vor dem Hafen von Kilcummin. Weil das Wasser in der Bucht deutlich tiefer ist, biegen sich die Wellen zur Küste hin. In diesem Fall nicht so stark, weil die Wellenperiode nicht allzu groß war (13s). Wenn der Swell deutlich nörlicher ist und/oder die Periode größer, biegen sich die Wellen mehr zur Küste und brechen hohler und steiler. Für Experten gut, für Intermediates war es besser, wie es war.

Die dritte Variante der Refraction ist der Beachbreak. An langen, offenen Stränden gibt es meist ein einigermaßen regelmäßiges Muster von Sandbänken und Channels. Die Swell Linie biegt sich also wie beim Fokussieren auf die Peaks, nur gleichzeitig an vielen Stellen. Hossegor ist bekannt für diese A-Frame Peaks.

Wellenkunde: Der berühmte Beachbreak la Graviere
La Graviere en marche.

Ist eine Bucht zu schmal und in der Mitte nicht tief genug, dann defokussiert die Welle auf beiden Seiten, sie bricht nie und läuft halbmondförmig bis auf den Strand wo sie auf einmal kollabiert. Nicht sehr gut zum Surfen! Die ansonsten wunderschöne Bucht Torimbia in Asturien ist so ein Fall:

Die Refraction ist interessanterweise von der Periode abhängig. Swells mit größerer Periode biegen sich deutlich weiter, als kurzperiodische. Diese Refraction der langen (und schnellen) Wellen ist also auch ein Indikator für einen ankommenden neuen Swell. Generell ist das eine schöne Sache: An Pointbreaks laufen die Wellen länger, Reefbreaks werden von den kleinsten Swells zum Leben erweckt, wenn nur die Periode lang genug ist und auch Beachbreaks profitieren normalerweise von dem Effekt – zugegebenermaßen sind große Perioden aber noch aus weiteren Gründen wünschenswert.

Die Wassertiefe

Während sich die Wellen in tiefem Wasser ungehindert ausbreiten, werden sie in flachem Wasser abgebremst und gebogen. Unterschreitet die Wassertiefe einen kritischen Wert, dann bricht die Welle. Und das kommt so: Wir haben gesehen, dass ein Objekt auf der Wasseroberfläche von einer Welle an- und in einem Kreis wieder auf seinen Platz gehoben wird (im Querschnitt betrachtet). Diese Kreisbewegung ist in ihrem oberen Teil schneller, weil dort mehr Wasser bis zum Meeresboden ist. Wird das Wasser noch flacher, dann überholt der Wellenkamm die rückläufige Bewegung und die Welle bricht. Eine Faustformel für die Wassertiefe, in der das passiert, ist 1,3 x Wellenhöhe.

Wellen: Wellen brechen, wenn das Wasser unter ihnen etwa 1,3 mal so tief ist, wie die Wellen groß.
Eine wedgige Welle am Beachbreak von Beliche. Mit der Faustregel kämen wir auf eine Wassertiefe von 1,3 X 1,5m = 1,95m. Realistischer ist aber, das das Wasser etwa einen Meter tief ist. Links sieht man schon das aufgewirbelte Sediment. Die verspätete Brechung kommt durch die spezielle Form der Sandbank, die lange Periode des Swells (hinten kann man die nächste Welle nur grob erahnen (etwa 16s später) und den Offshore zustande.

Allerdings gibt es zahlreiche Faktoren, die diesen Wert verändern und so vielseitig wie die Unterwassertopographie sich zeigt, so variabel brechen auch Wellen. Wenn sich die Wassertiefe sehr schnell verändert, schwellen die Wellen sprunghaft an und brechen in sehr flachem Wasser. Offshore Wind hält die Wellen auch vom Brechen zurück. Ein dritter Faktor ist – wieder einmal – die Periode. Je länger sie ist, desto weiter sind die Wellen auseinander (logisch) und desto flacher sind sie – bis sie sich mit einem Mal zu ihrer angestammten Größe auftürmen und brechen.

Wellen: In Roca Puta an einem klaren Tag.
Ein sehr cleaner Swell trifft auf die namensgebenden Steine am Spot Roca Puta. Das Wasser im HIntergrund liegt beinahe Spiegelglatt, die Energie des langperiodischen Swells wird ganz auf die Steine fokussiert und wirft so eine immerhin kopfhohe Welle auf.

Wellen brechen früher (weiter draußen), wenn

  • die Periode kurz ist
  • Die Unterwassertopographie flach ist
  • Onshore Wind weht

Wellen brechen später, wenn

  • Der Wind offshore bläst
  • Das Wasser plötzlich flacher wird
  • Die Wellen langperiodisch sind

Natürlich interagieren diese Faktoren auch miteinander. Und der lokale Wind hat noch mehr Einfluss, indem er nämlich entweder die kurzperiodischen Wellen ganz killt (offshore) oder noch mehr von ihnen entstehen lässt (onshore). Während also die Wassertiefe, in der Wellen brechen, recht schwer zu verallgemeinern ist, lässt sich aber über die entsprechend in flachem oder tiefen Wasser brechenden Wellen das Ein oder Andere sagen. Da die Geschwindigkeit der Wellen in flachem Wasser direkt von der Wassertiefe abhängt, sind Wellenkämme in sehr flachem Wasser plötzlich viel schneller als ihr Boden. Deshalb brechen sie dann hohl, steil und schnell. Wellen, die in tiefem Wasser brechen sind dagegen überall mehr oder weniger gleich schnell und brechen mushy. Aus diesen Gründen sind langperiodische Wellen nicht so anfällig gegenüber lokalem Wind, vor allem wenn sie plötzlich über ein Riff knallen: Sie schleichen sich bis in das flache Wasser und brechen dann selbst erschrocken und unvermeidlich. Man kann es nicht oft genug sagen: Das Wissen um die lokalen Break-Eigenheiten ist der wichtigste Faktor, wenn man gute Wellen abgreifen möchte.

In vielen Fällen ist die Reise des solaren Energiepaketes an dieser Stelle zu Ende. Handelt es sich jedoch um einen Beachbreak, dann geht nicht die ganze Energie in den Turbulenzen der Brechung verloren. Ein Teil bewegt das Sediment. Sandbänke formen sich oder werden verlagert. Diese Morphologie des Küstensediments ist der wahrscheinlich am Wenigsten untersuchte Teil der Wellenreise. Für Surfer ist es aber essentiell, ob eine Sandbank parallel zu den sich nähernden Wellen liegt, oder leicht schief.

Ein Teil des Sands ist jedenfalls in einer Feedbackschleife gefangen und wandert unter die Welle. Die Sandbänke entstehen dort, wo die Wellen brechen. Das Wasser läuft durch Channels wieder hinaus und verstärkt somit noch die Struktur. In einigen Regionen wie etwa der Aquitaine sind diese Sandbankstrukturen ziemlich stabil. Grund dafür sind die konstanten Swellpatterns (WNW) und der Golfstrom. Aber auch hier zeigt sich ein Unterschied, zum Beispiel zwischen den Sandbänken des Winters und denen im Sommer. Weil im Winter größere Wellen brechen, bildet sich eine vorgelagerte Bank weiter draußen. Während viele Beachbreaks genau deshalb im Sommer gut funktionieren gibt es andere, die die Winterbänke bevorzugen. Und wir haben noch gar nicht über die Tiden gesprochen.

Was kann Papillon jetzt mitnehmen?

Obschon ziemlich oberflächlich abgegrast, soll dieser Text Backgroundwissen liefern. Damit lässt sich besser einordnen, wie wahrscheinlich etwa ein bestimmter Forecast ist: Wenn man weiß, dass Wellen durch Wind gebildet werden und dann maximal 4-5 Tage auf dem Atlantik unterwegs sind, bis sie auf europäische Küsten treffen, sieht man, dass eine Wellenvorhersage für in zwei Wochen sehr unzuverlässig ist: Das Tief muss erst noch entstehen, dann ist offen, wie es sich verhält und erst dann können wir einigermaßen dezidiert die Wellengröße, die Periode und die Swellrichtung feststellen. Aus diesem Grund verschwinden manche Swells komplett aus den Vorhersagen.

Dieses Wissen nimmt dir ein Stück der Abhängigkeit von Swell-Forecasts. Nicht, dass du es jetzt besser wüsstest, oder selbst das Eintreffen eines Swells berechnen sollst. Aber es erklärt zum Beispiel die außerordentliche Bedeutung der Wellenperiode zum Surfen und auch die saisonalen Swellwahrscheinlichkeits-Differenzen.

Weil die Wellen bis zu Papillons Teufelsinsel schon mehrere Tausend Kilometer unterwegs waren, sind nur die besonders langen Wellen übrig geblieben. Und in der Tat: Auf lange Setpausen folgen mehrere starke Wellen. Diseses Szenario ist zum Beispiel auch im Winter in den Kanaren häufig. Und die weitgereisten Wellen treffen plötzlich auf das exponierte Riff und bäumen sich zu ganzer Größe auf. Aus einem Fuß Swell können so kopfhohe Wellen werden.

Aber was ist denn jetzt zum Beispiel eine große Periode? Oder die Wellengröße? Warum kann es sein, dass ein perfekter Sturm Wellen an meinen Spot bringt und die Verhältnisse dann trotzdem mies sind? Für den Wissenstransfer in die Praxis habe ich einen weiteren Artikel geschrieben, nämlich “Wie ließt man einen Wave-Forecast?

Weiterführende Informationen

Das Standardwerk zum Thema Wellenkunde für Surfer ist das Buch Surf Science von Tony Butt und Paul Russel.

Während mittlerweile einige Surfguides deutlich aktuellere Spotinformationen haben, ist der Stormrider Surfguide Europe nach wie vor die Säule eines guten Surftrips. In einer profunden Einleitung werden neben den hier besprochenen Punkten auch noch die Tiden und weiteres Surfwissen vermittelt. Das die Briten an der Natur der Dinge interessiert sind, sieht man schon am Verlagsnamen: Low Pressure

Eine Fülle unterschiedlichster Surfspots und ihrer Bedingungen, vornehmlich zu einer Zeit gesurft, in denen Forecasts noch handmade waren, beschreibt Wiliam Finnegan in Barbarentage – das ihm einen Pulitzerpreis eingebracht hat.

Luca Brück

Luca ist ein Tee trinkender Surfrabauke aus dem Schwarzwald. Seine Brötchen, den Tee und die Surfboards verdient er als Journalist und Blogger. Aktuell lebt und schreibt Luca in Essen im Ruhrgebiet.

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