Surfen bei Olympia 2020 in Tokio

Surfen bei Olympia 2020/2021 in Tokio

Titelbild: Corona Open China hosted by Wanning // Credit: © WSL / Tim Hain

Es ist der Lauf der Dinge: Jede Trendsportart, die ihr Präfix überlebt, muss damit rechnen, dass das IOC auf sie aufmerksam wird. Eher später als früher, dann allerdings mit ganzer medialer Wucht. Ob es eine gute Idee ist, Surfen in das Korsett der olympischen Wettbewerbe zu zwingen, ist Meinungssache. Hier gibt es einfach die nötigen Facts, um mitreden zu können, wenn Surfen olympisch wird.

So lief die Olympische Premiere des Surfens

Ergebnisse

Männer

Gold: Italo Ferreira (Brasilien) 15,14 Punkte im Finale
Silber: Kanoa Igarashi (USA) 6,60 Punkte im Finale
Bronze: Owen Wright (Australien) 11,97 Punkte im Heat um Platz 3

4. Gabriel Medina (Brasilien) 11,77 Punkte im Heat um Platz 3

5. Michel Bourez (Frankreich)
Hiroto Ohhara (Japan)
Kolohe Andino (USA)
Lucca Mesinas (Peru)

17. Leon Glatzer (Deutschland)

Frauen

Gold: Carissa Moore (USA) 14,93 Punkte im Finale
Silber: Bianca Buitendag (Südafrika) 8,46 Punkte im Finale
Bronze: Amuro Tsuzuki (Japan) 6,80 Punkte im Heat um Platz 3

4. Caroline Marks (USA) 4,26 im Heat um Platz 3

5. Sally Fitzgibbons (Australien)
Brisa Hennessy (Costa Rica)
Yolanda Hopkins (Portugal)
Silvana Lima (Brasilien)

Das war es also. Surfen bei Olympia. Am Dienstag und damit sogar schneller als im Zeitplan vorgesehen wurden die ersten olympischen Medaillengewinner ermittelt. Der Grund für den Vorzug der Finals war die Angst vor kleinen Wellen im weiteren Verlauf der Woche. Auch Nebel drohte der Surf-Premiere noch den Vorhang zuzuziehen.

In den Surfkursen sagen sie gern, der beste Surfer sei der, der den meisten Spaß habe. Ist Unsinn. Der beste Surfer ist Italo Ferreira. Der Brasilianer hatte 2019 die Worldtour gewonnen und war deshalb auch auf der Setzliste für Tokyo ganz oben. „In den letzten Monaten habe ich viel trainiert, nur um diesen Moment zu erleben“, sagte er nach seinem Sieg. Eine richtige Vorbereitungsphase gab es aber eigentlich nicht, die besten Surferinnen kamen ja direkt aus Leemore, Kalifornien vom World-Tour-Stopp auf Kelly Slaters künstlicher Welle.

Die beste Surferin indes ist Carissa Moore aus den USA, auch ihr Sieg ist keine Überraschung. Sie gewann ihr Finale gegen Bianca Buitendag aus Südafrika recht deutlich und setzte den Schlusspunkt unter die Veranstaltung. Das jedenfalls ist die Momentaufnahme vom Shidashita Beach, 100 Kilometer östlich von Tokyo.

Denn es wäre auch nicht überraschend gewesen, hätte Gabriel Medina gewonnen, der Führende der laufenden World Tour. Oder Kanoa Igarashi, der mit dem Local-Wissen seines Vaters an den Strand nach Shidashita kam. Beide waren auch bei der Olympia Premiere ziemlich gut drauf, surften aber schon im Halbfinale gegeneinander. Doch es waren schon verdiente Sieger, die vom Wind durchgewaschenen, teilweise großen Bedingungen lagen am Ende Ferreira und Moore am besten. Ferreira gelang dabei mit einer 9,7 die höchste Wertung des Wettkampfs.

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Aber auch das irgendwie symptomatisch: Mehr als das eine Manöver, einen soliden Air, gab die Welle nicht her. So war das Wellenreiten bei Olympia nur ein Ausschnitt aus dem Surfkosmos. Wegen der „2 pro Nation“ Regel waren einige Favoriten nicht dabei. Die Beachbreak Wellen vom Shidashita kommen uns Frankreich-Surfern bekannt vor. Aber zu den besten der Welt zählen sie sicher nicht. Und es gab eben viel zu viele Air-Reverses zu sehen. Erfrischend daher auch die eher klassisch ersurfte Bronzemedaille von Owen Wright. Für viele war das ohnehin die Geschichte aus Shidashita: Der Australier hatte 2015 eine Hirnblutung, musste surfen ganz neu lernen. 

Die Bedingungen immerhin waren am Finaltag die besten der drei Tage, wenn auch weit entfernt von gut, dafür war einfach der Wind nicht kooperativ genug. Denn der Wind macht die Wellen und er sortiert sie auch. Nochmal ein Spruch aus dem Surflehrer-Fundus: „Haste Mal einen Euro für die Wellenmaschine?“ Vor allem die Frauen mussten zuvor in mehreren runden viel Geduld beweisen, weil der Ozean sich zierte. 

Vielleicht hatte das ZDF auch die mauen Bedingungen antizipiert, jedenfalls liefen die Streams in der Nacht ohne Kommentatorenteam. Eurosport war da engagierter, auch nach dem frühen Ausscheiden des für Deutschland startenden Leon Glatzer. Mit Quirin Rohleder war einer der genuinen deutschen Surflocals hinter dem Mikro. Sein Homespot: Der Eisbach in München, was sonst.

Ob Olympia die Sportart verändert? Kaum. Der Trend ist ohnehin da, in Brasilien sowieso. Ferreira hat bei Instagram 1,2 Mio. Follower, Gabriel Medina sogar 8,9. Und ganz ehrlich: Die Nummer am Strand Tsurigasaki war schon eher langweilig anzusehen. Sollten die  Pariser Bewerbe 2024 tatsächlich vor Tahiti laufen, sähe das ganze nach einer komplett anderen Sportart aus. Und liefe in Europa in den Abendstunden im Fernsehen. Tokyo 2020+1, das war eine Premiere ohne Katastrophe für das Wellenreiten. Viel mehr aber auch nicht.

Premiere fürs Surfen bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokyo

Bei den Olympischen Sommerspielen 2021 ist Surfen zum ersten Mal bei Olympia dabei. Ausgetragen wird jeweils ein Wettkampf für Männer und einer für Frauen an vier (nach Möglichkeit konsekutiven) Tagen zwischen dem 25.07.2021 und dem 01.08.2021.

Durch die lange Waiting Period sollen die bestmöglichen Wellen und Windbedingungen ausgenutzt werden können. Die Verschiebung der Spiele wurde hier genutzt, um das Format etwas anzupassen. Das sollte eine gute Idee sein, den nur an wenigen Surfspots kann wirklich jeden Tag ein fairer und spannender Wettbewerb garantiert werden. Einer dieser magischen Orte ist El Salvador. An den beiden Spots la Bocana und el Sunzal fanden in idealen Bedingungen vom 29 Mai bis zum 06.06 die World Surfing Games statt, die letzte Möglichkeit, sich für die Surf-Premiere bei den Spielen zu qualifizieren. Einen Spot sichern konnte sich etwas überraschend (aber hoch verdient) auch Leon Glatzer, der für den Deutschen Wellenreitverband startet.

Die wichtigsten Fakten zu den Surfwettbewerben in Tokio:

  • an vier Tagen zwischen dem 25.07 und dem 01.08.2021
  • am Tsurigasaki Beach (Shidashita Beach), Shida, Japan (einer der Hostspots des japanischen Surfens)
  • Shortboardwettkampf
  • max. 2 Männer und Frauen pro Nation
  • insgesamt 20 Männer und 20 Frauen
  • 20 – 30 min. Heats mit 2 – 5 Surfern
  • gutes Zeitfenster, trotzdem üblicherweise durchwachsene Bedingungen
  • Onshore Winde sind gut für Aerials!

Welche Surf-Wettbewerbe werden 2021 ausgetragen?

Beim ersten Auftritt der Surfer*innen bei Olympischen Spielen gibt es einen Shortboard-Wettkampf der Männer und einen der Frauen. Dabei surfen die Athletinnen auf Brettern, die etwa so lang sind, wie sie selbst.

Andere “Disziplinen”, die erstmal nicht dabei sind, wären das Bigwave Surfen, das Longboard Surfen, Aerials Wettbewerbe, bei denen nicht die ganzen Wellen, sondern nur die Sprünge bewertet werden oder das Surfen auf Stehenden Wellen, das Steady Wave Surfen.

Sind eigentlich Kitesurfen oder Windsurfen olympisch?

Aktuell gibt es zwei Sportarten, die in offenen Gewässern ausgetragen werden. Zum einen das Freiwasserschwimmen, das in gewisser Weise auch eine Disziplin für Wellenreiter wäre, schließlich schwamm einer der Begründer des modernen Surfens, der Hawaiianer Duke Kahanamoku nämlich, seine Weltrekorde (allerdings über 100m und 200m) oft genug in Hafenbecken. Zum Anderen ist Windsurfen olympisch, allerdings nicht das wilde Freestyle Surfen, sondern ein Wettrennen mit extrem unflexiblen Regeln.

Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris wird dann auch Kitesurfen olympisch, aber auch hier hat man sich für ein Rennformat und gegen einen Freestyle Bewerb entschieden.

Wellenreiten ist also bei den Olympischen Spielen neben Skateboarden die einzige echte Freestyle Disziplin. Bedenkt man, dass besonders Aerials (Sprünge) eine wichtige Rolle einnehmen werden, hat Surfen auf jeden Fall eine krasse Sonderstellung im Programm, weil die Logik der Punktrichter nur einem losen und subjektiven Katalog folgen kann.

Wann ist der Surfwettkampf um Olympische Medaillen?

Der Surfwettbewerb findet während der besten Bedingungen an vier Tagen im Zeitfenster des „Olympischen-Surffestivals“ vom 25 Juli bis zum 1 August statt. Dabei wurde zwar ein detaillierter Zeitplan erarbeitet, aber auch den veränderlichen Bedingungen Rechnung getragen. Trotzdem ist nicht mit perfekten Wellen zu rechnen, doch dazu kommen wir noch. Im offiziellen Erklärvideo war noch die Rede von einem kürzeren Zeitfenster, die Organisatoren haben die Verlegung der Spiele genutzt, um diesen Punkt nochmal zu überdenken und das Fenster zu verlängern.

Ein möglichst langes Zeitfenster ergibt deshalb Sinn, weil man zum Surfen neben Wellen auch auf gute Windbedingungen angewiesen ist. Ideal ist meist leichter, ablandiger Wind, weil der hilft, die Wellen zu sortieren und sauber brechen zu lassen. Über die Bedingungen informieren Forecast Apps wie die von magicseaweed.

Wenn die Bedingungen gut sind, sollen die Wettbewerbe an vier aufeinanderfolgenden Tagen durchgezogen werden, so dass wenigstens kurzfristig planbare TV und Livestream Bilder entstehen. Das ist zeitlich etwas eng bemessen, auch wenn nur 20 Surfer und Surferinnen an den Wettkämpfen teilnehmen und nicht 36 wie bei den Bewerben der World Surf League. Allerdings waren ursprünglich nur 2 Tage eingeplant.

Auch wenn das möglicherweise nicht zum Klischee passt, sind Surfer auf der ganzen Welt überwiegend in Neoprenanzügen und in den Herbst und Wintermonaten im Wasser. Das liegt daran, dass dann die größeren Tiefdruckgebiete über den Ozeanen unterwegs sind und mehr Energie in das System eintragen. Die ikonischen Bilder von Surferinnen in Bikinis (übrigens auch ein Klischee, denn so ein Bikini bleibt beim Surfen nie da, wo er soll) entstehen in der Regel an Orten, an denen es auch im Winter warm ist, wie etwa auf Hawaii oder in Indonesien. Meist sind das Regionen auf der Erde, die dem Äquator relativ nahe sind.

In einigen Regionen gibt es dann noch die Hurricane Saison, die ist allerdings auch erst später im Jahr, beziehungsweise die Typhoon Saison für Japan. Diese überschneidet sich tatsächlich mit dem Zeitfenster für die Olympischen Spiele, allerdings sind im Juli und August die Winde oft auflandig, was ungünstig ist. Günstige Winde gibt es meist nur morgens, weil die Zeit aber begrenzt ist, werden davon nur wenige Heats profitieren.

Insgesamt ist es eher wahrscheinlich, dass bei der Premiere des Surfens bei Olympischen Spielen die Wellen relativ klein und wahrscheinlich recht verblasen sein werden und damit eher unspektakulär. Im vergangenen Jahr gab es im gleichen Zeitraum ein Testevent, dieses Jahr sind ähnliche Bedingungen zu erwarten.

Möglich sind aber auch Extremfälle, schon ein guter Swell rettet das Programm, auf der anderen Seite ist es auch möglich, dass es zwei Wochen durchgehend flat ist. Es ist schon verständlich, dass Frankreich und das IOC den Surfwettbewerb 2024 nach Französisch Polynesien schicken will. Die Wellen dort sind nämlich um einiges spektakulärer. Allerdings wäre das für einige nicht so erfahrene Surfer auch eine echte Gefahr.

Wo findet der Surfwettkampf statt?

Die ersten olympischen Wettkämpfe im Wellenreiten werden am Tsurigasaki Surfing Beach ausgetragen. Der Strand ist auch unter dem Namen Shidashita Beach bekannt. Manchmal wird der langgestreckte Strand, dessen einzelne Abschnitte verschiedene Eigenschaften und verschiedene Namen haben, auch einfach Ichinomiya genannt, nach der dazugehörigen Stadt. Tokio ist etwa 100 Kilometer entfernt, was den Strand zu einem beliebten Spot für zahlreiche Wochenendsurfer macht.

Auch eine Premiere auf einer künstlichen Welle stand im Raum. Die Vorteile für das Fernsehen und die Vermarktung liegen auf der Hand. Aber das wäre eine gänzlich andere Sportart gewesen. Mit der Verlegung um ein Jahr wird dieser Punkt wahrscheinlich auch nochmal diskutiert. Wurde er? Es wurden viele andere Dinge diskutiert. Aber das Thema ist damit grundsätzlich nicht vom Tisch, nur ein paar Wochen vor den Spielen touren die Weltbesten noch nach Lemoore in Californien zu Kelly Slaters Wavepool.

Tsurigasaki Beach // Beachbreak // O- SO Swell // Südwestwind // Alle Tiden // 1 – 8 Fuß // Klassischer Beachbreak, der vor allem in kleinen Bedingungen funktioniert
Der Strand kann auf keinen Fall zu den besten Stränden Japans gezählt werden. Aber er ist solide und mit seiner Lage ein buchstäblich naheliegendes Ziel für Tokyo 2021. Außerdem ist der Strand Wettkampf erprobt, wird doch regelmäßig ein WSL Qualifier hier ausgetragen.

Wie sind die Wellen am Strand Tsurigasaki während Olympia 2021?

Das ist die größte Frage. Der Strand ist sowieso kein besonders toller Beachbreak. Und dann ist auch noch Onshore Saison. Aber wenigstens könnte es sein, dass ein Typhoon Swell während der Waiting Period Wellen schickt. Im Schnitt hat der Tsurigasaki Beach an 60 Prozent der Tage im Juli/August surfbaren Swell.

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Wer ist im Surfen qualifiziert für die Olympischen Spiele?

Der Qualifikationsprozess für die erste Ausgabe des Surfens war einigermaßen kompliziert. Das liegt vor allem an den hierarchischen gerankten Möglichkeiten sich zu qualifizieren. Klar war anfangs nur, dass je 20 Surfer und Surferinnen starten würden. Jeweils maximal 2 pro Nation und Geschlecht. Japan hat je eine Wildcard für die Männer und die Frauen erhalten.

Fix qualifiziert sind die besten 10 Männer und die besten 8 Frauen der World Surf League 2019. Allerdings mit der Nationenbegrenzung, so dass etwa Filipe Toledo nicht teilnehmen wird, eigentlich ein absoluter Medaillenkandidat.

Mit den ISA World Surfing Games 2021 sind alle Startplätze vergeben. Leon Glatzer hat sich mit einer starken Woche einen Platz gesichert. Spannend war auch das interne Duell bei den Japanern.

Bei den Frauen qualifiziert:

Via die World Tour 2019:
Carissa Moore (USA)
Carolin Marks (USA)
Stephanie Gilmore (AUS)
Sally Fitzgibbons (AUS)
Tatiana Weston-Webb (BRA)
Johanne Defay (FRA)
Brisa Hennessy (CRI)
Silvana Lima (BRA)

Via die ISA World Surfing Games 2019:
Bianca Buitendag (ZAF)
Shino Matsuda (JPN)
Anat Lelior (GRC)

Via die Panamerican Games:
Daniella Rosas (PER)

Via die ISA Wold Surfing Games 2021:
Yolanda Sequeria (POR)
Teresa Bonvalot (POR)
Daniella Rosas (PER)
Leilani McGonagle (CRC)
Mahina Maeda (JPN)
Amuro Tsuzuki (JPN)
Pauline Ado (FRA)

Bei den Männern für Olympia qualifiziert

Via die World Tour 2019:
Italo Ferreira (BRA)
Gabriel Medina (BRA)
Jordy Smith (ZAF)
Kolohe Andino (USA)
Kanoa Igarashi (JPN)
John John Florence (USA)
Owen Wright (AUS)
Jeremy Flores (FRA)
Julian Wilson (AUS)
Michel Bourez (FRA)

Via die ISA World Surfing Games 2019:
Ramzi Boukhiam (MAR)
Shun Murakami (JPN)
Frederico Morais (PRT)
Rio Waida (INA)

Via die Panamerican Games 2019:
Lucca Mesinas (PER)

Via die ISA Wold Surfing Games 2021:
Leon Glatzer (GER)
Miguel Tudela (PER)
Lucca Mesinas (PER)
Manuel Selman (CHI)
Hiroto Ohhara (JPN)

Der Qualifikationsprozess stand aus mehreren Gründen in der Kritik. Durch die Beschränkung auf zwei Surfer pro Nation nehmen bei den Olympischen Spielen in Tokio einige Favoriten auf den Titel gar nicht Teil, etwa Filipe Toledo und Seth Moniz und auch der GOAT, Kelly Slater, wird vermisst werden. Die ISA World Surfing Games dagegen sind eigentlich von nachrangiger Bedeutung und weil die Termine mit den Qualifiern für die World Surf League 2019 kollidierten, mussten sich die Surfer entscheiden, ob sie lieber auf die Chance setzen, bei durchwachsenen Beachbreak Bedingungen am Shidashita Beach zu surfen, oder mit dem Surfzirkus zu einigen der besten Spots weltweit zu reisen. Aus deutscher Sicht lief es aber nicht so schlecht, denn Leon Glatzer hat tatsächlich Chancen, sich über den Wettkampf in Salvador zu qualifizieren. Und er hat es auf eindrucksvolle Art und Weise geschafft.

Wie funktioniert der Wettkampf im Surfen bei den Olympischen Spielen?

Das, was beim Sprint als Lauf bezeichnet wird, ist beim Surfen ein Heat. Pro Heat treten zwei bis fünf Surfer gegeneinander an, in der Regel erreicht die bessere Hälfte die nächste Runde. Ein Heat dauert meistens 30 Minuten. In dieser Zeit versuchen die Surfer mindestens zwei sehr gute Wellen zu surfen, denn die beiden besten Wellen ergeben die Gesamtpunktzahl für ein Heat. Die einzelnen Wellen werden von fünf Punktrichtern (Judges) mit Punkten von 0 – 10 bewertet. Die höchste und die niedrigste Punktzahl werden gestrichen, aus den restlichen drei der Mittelwert gebildet.

Surfen bei Olympia 2020 in Tokio: K. Butler bei einem Contest der WSL
Surfer:  K. Butler bei den Corona Open China hosted by Wanning // Credit: © WSL / Tim Hain

Das Judging bei Olympia

Das Judging ist naturgemäß immer diskutabel, die Erläuterungen der WSL zu den Kriterien einigermaßen schwammig. Wichtig ist, dass Punktzahlen nur schlecht über Heats hinweg verglichen werden können. Gute Judges versuchen, mit den ersten Wellen in jedem Heat einen Maßstab für die verbleibende Zeit festzulegen und mit diesem konsistent zu bewerten. Im Zweifelsfall wird mit der Bewertung gewartet und es werden auch verschiedene Wellen des Heats verglichen. Es geht also nicht um eine objektive Bewertung (die noch unmöglicher wäre als das gängige Prozedere), sondern um eine Einordnung.

Es wird auf jeden Fall spannend zu sehen sein, wie sich die Judges schlagen, bisher konnten sie immer auf die Rückendeckung der eigenen Kommentatoren zählen.

Das perfekte Heat wären also 20 Punkte. Realistischer ist aber, dass die Punktzahlen (auch wegen der kleinen Wellen) nicht so hoch ausfallen.

Die Priority Regel beim Surfen

Priority: Pro Welle darf nur ein Surfer nach Rechts und einer nach Links surfen. Vorfahrt hat normalerweise, wer “tiefer” sitzt, also näher am ursprünglichen Brechpunkt der Welle. Um zu vermeiden, dass die Surfer sich in immer ungünstigere Positionen schieben, gibt es beim professionellen Surfen aber ein Priority System. Das bedeutet ganz einfach, das der Surfer oder die Surferin, die die letzte Welle gesurft sind, sich danach hinten anstellen müssen. Aus diesem System ergibt sich eine wichtige taktische Komponente: Schafft es ein in Führung liegender Surfer, die erste Priority zu ergattern, dann paddelt er gerade gegen Ende eines Heats oft nur noch seinem Konkurrenten hinterher. Das Ziel ist dann gar nicht mehr, selbst die beste Welle zu surfen, sondern sicherzustellen, dass der/die Andere sie nicht surft.

Grundsätzlich funktionieren die meisten Surfwettkämpfe ähnlich wie Tennis oder Beachvolleyball Turniere. Der einzige Unterschied: Die Zahl der Surfer pro Heat ist nicht zwingend auf zwei beschränkt. Das bedeutet, dass zu Beginn häufig eine sogenannte Setzrunde eine Warm-Up Funktion übernimmt. Dabei können sich die Surfer direkt für die 3. Runde qualifizieren. Oder sie müssen in die Verliererrunde.

Das Wettkampfformat beim Surfen in Tokyo

Erste Runde:
Die erste Runde ist wie beschrieben eine „Non-Elimination-Round“ 5 Surfer pro Heat, die beiden besten kommen direkt in Runde 3. Die drei Verlierer bekommen in der zweiten Runde noch eine Chance.

Runde 2:
In der zweiten Runde gibt es zwei Heats mit je 5 Surfern. Das sind eben die Verlierer aus der ersten Runde. Diesmal kommen die besseren 3 jeweils weiter, die letzten beiden scheiden aus. Nach zwei Runden sind also 4 der 20 SurferInnen raus. Das klingt nach wenig, aber niemand möchte in dieser zweiten Runde sein. Ein Heat mit 5 Surfern ist einfach nicht planbar.

Runde 3:
Nun geht es in den echten Turnierbaum: In der dritten Runde gibt es 8 Heats mit je 2 Surfern. Das Format heißt auch „Head to Head“. Dabei kommt der Gewinner ins Viertelfinale, der Verierer scheidet aus.

Viertelfinale: Selbsterklärend, oder? Für die Surfer heißt es, dass noch drei Heats zur Medaille zu Surfen sind. Nach den Viertelfinals müssen sich aber logischerweise noch vier SurferInnen verabschieden.

Halbfinale: Weiter geht es im 1 gegen 1. Die Gewinner ziehen ins Finale ein, die Verlierer dürfen immerhin für den Kampf um Bronze und das Kleine Finale noch mal ins Wasser.

Kleines Finale: Wird im Surfen normalerweise nicht ausgetragen, bei den Olympischen Spielen aber eben schon.

Finale: Wird wahrscheinlich etwas länger sein, beispielsweise 40 Minuten. Am Ende haben wir die ersten Goldmedaillen Gewinner im Surfen.

Wer sind die Medaillenfavoriten bei den Surfwettbewerben in Tokyo 2021?

Frauen

Carissa Moor – USA
Die Gewinnerin der Worldtour 2019 zählt natürlich auch in Japan zu den Favoritinnen auf den Titel. Neben drei weiteren Gesamtsiegen bei der Worldtour steht Moore für die Sunshine Vibes, die das Surfen so gerne ausstrahlen möchte. Gerade weil sie auch über Probleme wie Sexismus und Bodyshaming spricht ist sie das aktuelle Gesicht der Branche.

Nationalität: USA
Geburtsdatum: 27.08.1992
Größe: 1,70 Meter
Stance: Regular

Carolin Marks – USA
Bei den Spielen im Sommer wird Marks gerade 18 Jahre alt sein. Für erfolgreiche Surferinnen ist das geradezu unverschämt jung. Und es ist bereits ihr zweites Jahr auf der Tour, sie wurde letztlich Zweite in 2019, gewann die Events in Portugal und an der Gold Coast in Australien. Ihre Form ist bestechend und sollte Marks bei diesen Spielen leer ausgehen, dürften sie immer noch auf Paris 2024 hoffen.

Nationalität: USA
Geburtsdatum: 14.02.2002
Größe: 1,65 Meter
Stance: Goofy

Stephanie Gilmore – Australien
Die ewige Steph Gilmore. Schon in ihrer ersten Saison auf der Worldtour holte sie den Gesamtsieg. Das war 2007. Sechs weitere Titel sollten folgen, davon drei direkt im Anschluss an den Ersten. Eine Dominanz, wie man sie sonst nur bei Kelly Slater oder vielleicht Tom Brady gesehen hat. Die beiden Herren schwächeln akut, Steph Gilmore aber hat die Chance ihre Karriere mit einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen zu krönen.

Nationalität: Australien
Geburtsdatum: 29.01.1988
Größe: 1,78 Meter
Stance: Regular

Sally Fitzgibbons – Australien
Fitzgibbons ist möglicherweise nicht die talentierteste Surferin auf der Tour, aber sicher eine der Ehrgeizigsten. Früh wusste sie, was sie erreichen wollte: Eine herausragende Athletin werden. Als Schülerin gewann sie die Nationalen Meisterschaften über 5000m Laufen. Und jede Läuferin weiß: Das sind die richtig schmerzhaften Distanzen. Wenig später erkannte Fitzgibbons, dass sie beim Surfen noch mehr erreichen könnte, immerhin auch australischer Nationalsport. Obwohl sie nie einen Gesamtsieg gewinnen konnte, muss man bei Olympia auf sie achten: Sie hat die Motivation und die Fähigkeit, sich ganz auf diesen Titel zu konzentrieren.

Nationalität: Australien
Geburtsdatum: 19.12.1990
Größe: 1,70 Meter
Stance: Regular

Tatiana Weston-Webb
Die auf Hawaii aufgewachsene Surferin hat sich entschieden für Brasilien bei den Olympischen Spielen zu starten, dem Land ihrer Mutter. Weston-Webb würde eher in heftigen Wellen zu den ganz großen Favoritinnen zählen, schließlich hat sie das Surfen an der North Shore of Hawaii gelernt.

Nationalität: Brasilien
Geburtsdatum: 09.05.1996
Größe: 1,62 Meter
Stance: Goofy

Männer

John John Florence – USA
Der hawaiianische Surfer John John Florence war nach vier von elf Wettbewerben der World Surf League 2019 schon als Weltmeister gehandelt worden. Bis er sich das Kreuzband riss, bei dem Versuch eines Backflip – mit Surfbrett natürlich. Schon in Kindertagen prophezeite man dem späteren zweifachen Weltmeister eine glanzvolle Karriere, als Teenager surfte er seinen Homespot Pipeline auf Hawaii bereits besser als die meisten erwachsenen Profis. An diesen Spot kam Florence im Dezember nach seiner Verletzung zurück, um sich die Qualifikation für die Olympischen Spiele zu sichern. Florence ist wohl eher nicht der Favorit auf die Goldmedaille, zu wenig ist er der Typ für dreckige Wettkampfmoves und auch die vermutlich eher kleinen Wellen spielen ihm nicht in die Karten. Einer der besten Surfer ist er aber ohne Frage und gleichzeitig eine der spannendsten Figuren im sonst so selbstverliebten Business.

Nationalität: USA
Geburtsdatum: 18.10.1992
Größe: 1,86 Meter
Stance: Regular

Gabriel Medina – Brasilien
In den vergangen Jahren haben die Brasilianer das professionelle Surfen ganz schön aufgemischt. Medina war sehr früh sehr erfolgreich auf der Tour und konnte ganz unterschiedliche Bewerbe gewinnen, am Beachbreak von Hossegor genauso wie in den heftigen Barrels von Teahupoo. Der zweimalige Weltmeister (2014 und 2018) ist eine echte Wettkampfmaschine. Und was das Wichtigste ist: Er kann punktuell liefern. Denn während der Gewinner der World Surf League zu Recht über ein ganzes Jahr ermittelt wird, zählen in Tokyo beziehungsweise Shidashita nur eine handvoll Aktionen. Ein guter Indikator für die Fähigkeit, Leistung auf den Punkt zu bringen, dürfte der Wettbewerb in Kelly Slaters Wavepool sein, bei denen die Surferinnen nur je zwei Versuche für eine perfekte Welle hatten, eine linke und eine rechte. Zuverlässig wie ein Uhrwerk lieferte: Funky, cold Medina. Von zwei Wettbewerben auf der Surfranch hat er zwei gewonnen.

Nationalität: Brasilien
Geburtsdatum: 06.05.1994
Größe: 1,68 Meter
Stance: Goofy

YouTube

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Italo Ferreira
Der aktuelle Weltmeister ist eine Wellenmaschine: Er surft und surft und surft, so lange, bis er von den anderen Surfern im Heat nicht mehr einzuholen ist. Dank seiner Fähigkeiten in der Luft und seiner aktuellen Form ein heißer Titelkandidat für Tokyo 2021.

Nationalität: Brasilien
Geburtsdatum: 01.10.1997
Größe: 1,80 Meter
Stance: Regular

Kanoa Igarashi
Koinzidenz? Seit kurzem tritt Kanoe Igarashi, born and raised at Huntington Beach, California unter japanischer Flagge an. Damit vertritt einer der Favoriten das Gastgeberland. Igarashi ist stark in kleinen Wellen und er hat auch schon bewiesen, dass er das Contestformat gut kann: Es geht in kurzer Zeit um Alles.

Nationalität: USA (Startet für Japan)
Geburtsdatum: 01.10.1997
Größe: 1,80 Meter
Stance: Regular

Jordy Smith – Südafrika
Jordy Smith dürften nicht so viele Buchmacher auf der Rechnung haben. Einerseits, weil das Kraftpaket aus Südafrika in der jüngeren Vergangenheit selten etwas wirklich gewonnen hat. Dieses Jahr wurde er dritter bei der Worldtour, ohne einen Tourstop zu gewinnen. Andererseits, weil man Jordy eher mit kraftvollen Pointbreaks als mit einem labbrigen Beachbreak in Verbindung bringt. Dabei zeigen die Statistiken, dass Smith tatsächlich vor allem in kleinen Wellen und Beachbreaks erfolgreich ist. 68.06% all seiner Worldtour Heats in Bedingungen von 1 – 4 Fuß hat Smith gewonnen. Das ist ein phänomenaler Wert, zeigt aber gleichzeitig, wie schwierig Vorhersagen beim Surfen sind. Selbst der zweitbeste Small-Wave-Surfer der Welt verliert also mehr als ein Drittel seiner Small-Wave Heats.

Nationalität: Südafrika
Geburtsdatum: 11.02.1988
Größe: 1,90 Meter
Stance: Regular

Kolohe Andino
Das Favoritenfeld wird komplettiert durch Kolohe Andino, den zweiten und nach der Rangliste eigentlich ersten US-Amerikaner. 2019 war das ewige Talent sogar das erste Mal in das sogenannte Titelrace involviert – wenigstens zeitweise. Die wirklichen Aerial Spezialisten werden bei Olympia nicht dabei sein, aber auch Andino kann spektakuläre Sprünge – und die werden besonders wichtig sein, weil sie einfach zu vermitteln sind und weil die Bedingungen ideal für Aerials sein werden: Kleine Wellen und Onshore-Winde.

Nationalität: USA
Geburtsdatum: 22.03.1994
Größe: 1,80 Meter
Stance: Regular

FAQ

Ist Surfen olympisch?

Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wird Wellenreiten mit der Disziplin Shortboard zum ersten Mal Teil des Olympischen Programms sein. Wegen der Corona Pandemie wurden die Spiele um ein Jahr verlegt, sollen aber weiter unter dem ursprünglichen Termin vermarktet werden, also als “Tokyo 2020”

Wann findet Surfen bei den Olympischen Spielen statt?

Die Surfwettbewerbe bei den Olympischen Spielen finden an den vier Tagen mit den besten Bedingungen in einem zweiwöchigem Zeitfenster im Sommer 2021 statt.

Wo sind die Surfwettbewerbe bei den Olympischen Spielen?

Der Wettbewerb der Frauen wie der Männer findet am Tsurigasaki Beach (auch bekannt als Shidashita Beach) in der Präfektur Chiba in Japan statt. Der Strand ist etwa 100 Kilometer von Tokyo entfernt und daher ein beliebter Surfspot.

Wer sind die Medaillenfavoriten?

Bei den Frauen zählen die US-Amerikanerinnen Carissa Moore und Caroline Marks sowie die Australierin Stephanie Gilmore zu den Favoritinnen. Bei den Männern sind die Brasilianer Gabriel Medina und Italo Ferreira sowie der für Japan startende US-Amerikaner Kanoa Igarashi die größten Favoriten auf den Sieg. Die Natur des Surfsports ist aber seine Unberechenbarkeit und so könnten die Surfwettbewerbe zwei der spannendsten Entscheidungen bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokyo werden.

Luca Brück

Luca ist ein Tee trinkender Surfrabauke aus dem Schwarzwald. Seine Brötchen, den Tee und die Surfboards verdient er als Journalist und Blogger. Aktuell lebt und schreibt Luca in Essen im Ruhrgebiet.

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